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The Myth of Chacahua


Die Sonne steht bereits tief am Horizont, als wir uns schlendernden Schrittes entlang der Lagune allmählich in Richtung des etwa 2km entfernten Dorfzentrums bewegen. Hector erzählt über Chacahua und seine Menschen, er berichtet vom Leben an der Lagune und vom Wandel der Zeit. Vor einigen Tagen traf ich Hector zum ersten Mal nahe dem Pier am nördlichen Eingang der Chacahua Bucht, dem Ort an dem er seit fast 50 Jahren lebt. Andächtig sitzt er auf einem der großen Steine und blickt seelenruhig hinaus aufs Meer. Es ist ein Ritual, das er mehrmals täglich begeht. Wir kommen ins Gespräch. Der Ozean ist der Anfang und das Ende, die Quelle allen Lebens, der Reichtum der Welt, erklärt er mir mit ruhiger Stimme. Hector, auch bekannt als El Tigre, führt ein bescheidenes Dasein in und mit der Natur. Wie viele Fischer der Umgebung lebt er größtenteils von den Gaben des Pazifiks. El Tigre ist Taucher, seine Lebensgrundlage entnimmt er zumeist den Tiefen der See. In den darauffolgenden Tagen zeigt er mir sein Handwerk, wir harpunieren Fisch und begeben uns auf die Suche nach Austern und Langusten. Hector ist ein sehr hilfsbereiter Mensch, der uns bereitwillig aufnimmt, seine Heimat und sein Wissen gerne mit uns teilt. Heute will er uns etwas ganz Besonderes zeigen und führt uns deshalb zum Steg im Zentrum des Ortes. Dort angekommen, besorgt Hector zwei hölzerne Paddel und drückt mir eines davon in die Hand. Anschließend entwässern wir ein bereits etwas in die Jahre gekommenes Boot und rudern pünktlich zum Sonnenuntergang entlang der dichten Mangroven hinaus ins Herz der Lagune. Gemächlichen Taktes gleiten die schweren Paddel sanft durch das samtig spiegelnde Wasser und langsam bahnen wir uns entgegengesetzt der Strömung unseren Weg. Der Himmel wirkt schwermütig, ist behangen mit düster dahinziehenden Wolken. Über den Bergen des Hinterlandes tobt einmal mehr ein grollendes Gewitter. In der Lagune herrscht eine magische Atmosphäre. Wortlos lauschen wir der von natürlichen Klängen durchdrungenen Stille. Nach etwa einer Stunde kommen unsere Paddel zur Ruhe und für eine Weile treiben wir im Zwielicht des schwindenden Tages stoisch dahin. Gebannt beobachten wir wie uns die Dunkelheit schleichend umschließt. Wenige Minuten später regiert Finsternis. Inmitten der Lagune, umgeben von einem dunklen Wall undurchdringlicher Mangroven, durchströmen wir die Schwärze der Nacht. Aus den Tiefen der Wälder ertönt leise ein dumpf hölzernes Knacken, die Lagune spielt eine eigenartig wohlklingende Melodie. Immer wieder erhellen die entfernt einschlagenden Blitze unverhofft den Himmel und gewähren uns flüchtige Einblicke in eine surreale Welt. Während wir uns zurücklehnen um das Naturschauspiel zu bewundern, navigiert Hector das Boot mit gekonnten Schlägen und murmelt dabei hypnotisch vor sich hin. Wir folgen der Strömung der Lagune, sie trägt uns langsam und stetig zurück in Richtung Meer. Plötzlich geschieht etwas Unerwartetes und wir trauen unseren Augen kaum. El Tigres magische Formel entfaltet ihre Wirkung. Wie von Geisterhand wird sein Paddel in der Dunkelheit sichtbar und fängt förmlich an zu glühen. Das in Bewegung versetzte Wasser zieht einen deutlich erkennbaren, neonfarbenen Schweif. Jagende Fische erscheinen in bunt leuchtenden Farben im Wasser. Ihre Verwirbelungen zeichnen wilde pinselstrichartige Muster auf eine pechschwarze Leinwand, welche wie die Glut eines Feuers sachte wieder vergehen. Um uns herum ist es quicklebendig, es ist als finge die Umgebung schlagartig an zu blühen. Verzaubert vom Geheimnis der Lagunen treiben wir im nächtlichen Dunst, genießen die Wunder der Natur und folgen der Demonstration expressionistischer Kunst.


Die Lagunen von Chacahua sind Teil eines Nationalparks, der durch seine einzigartige Vielfalt an Flora und Fauna besticht. Wie wir später herausfinden, ist das nächtliche Phänomen der Biolumineszens auf die Aktivität phosphoreszierenden Planktons, sogenannter Dinoflagellaten, zurückzuführen. Diese sich im Seewasser befindliche Algenform ruft, sofern in ausreichender Konzentration vorhanden, nach einem Bewegungsreiz unterschiedliche lange Lichtsignale aus und das Wasser erscheint in einem bunten Spektrum von blau bis grün. Die Einzeller versuchen sich so gegen Fressfeinde zu schützen.


 











 

Chacahua wird zu unserem letzten Stopp im Bundesstaat Oaxaca. Mit viel Freude surfen wir den verhältnismäßig leeren Peak und sagen der unglaublichen Vielzahl perfekter rechter Pointbreaks vorerst ade. Die MEX 200 hat uns die letzten Wochen bereits an viele unbeschreiblich tolle Orte geführt. Der Abschied viel selten leicht, doch waren wir aufgrund schwindender Ressourcen häufig zum Verlassen der Abgeschiedenheit gezwungen. Zwischenzeitlich gönnen wir uns in den erschlosseneren Gefilden der Region ein wenig Komfort und genießen kurzzeitig die Annehmlichkeit touristischen Terrains. Wir begeben uns auf abenteuerliche Dschungelexpedition, suchen Wasserfälle, springen von Klippen und beschmieren uns mit Schlamm. Beim Erkunden der Buchten von Huatulco bringen wir unser Vehikel beim Befahren stark erodierter Piste an seine physischen Grenzen. Der LT trotzt den wideren Umständen jedoch gekonnt und kann die Herausforderung meisterlich bestehen. Wir surfen Barra de la Cruz, eine in mechanischer Perfektion brechende Welle, und staunen dabei nicht schlecht über die Fertigkeiten der lokalen Crew. Angesichts der vielen weitestgehend unberücksichtigten Spots in nächster Nähe machen wir uns jedoch schleunigst wieder aus dem Staub und entkommen somit der eher anstrengenden wellenhungrigen Crowd. Am südlichen Ende der Zicatela Bucht nahe Puerto Escondito erwartet uns ein in hiesigen Breiten seltenes Phänomen, eine links brechende Welle, La Punta, diesem Anblick kann ich selbstredend nur schwer widerstehen. Anschließend fahren wir weiter zu den Lagunen von Chacahua und begegnen El Tigre. Schweren Herzens müssen wir jedoch auch hier wieder ziehen. Ab auf die MEX 200 Richtung Norden. Danke Oaxaca. Wohin die Reise geht? Bald schon werden wir es wissen, wenn der Motor nicht mehr dreht.


 










 

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