

Der leicht erfrischende Südostwind weht sanft durch die geöffneten Türen des Campers, welche auf der felsigen Erhebung eines Landvorsprungs an Mexicos pazifischer Westküste thront. Ein holpriger, kaum auszumachender Pfad durch üppiges Buschland und vorbei an palmengesäumten Feldern hatte uns vor einigen Tagen zufällig hierhergeführt. Es ist 2 Uhr morgens und ein entferntes Donnergrollen holt mich behutsam aus dem Schlaf. Schlummernd liege ich auf der Matratze im inneren des Vans und betrachte mit Erstaunen das lichterspielartige Flackern des Gewitters, dass sich friedlich in der schier endlosen Tiefe des pazifischen Ozeans verliert. Allmählich entweicht meinem müden Körper die angestaute Hitze des vorangegangenen Tages. Zufrieden und belanglos grübele ich eine Weile vor mich hin, verfolge willkürlich aufleuchtende Gedanken, welche gleich den wild tobenden Blitzen des Himmels flüchtig aufleuchten, um anschließend jedoch in ihrer Unbeständigkeit schlagartig wieder zu vergehen. In regelmäßigen Intervallen wird meine Aufmerksamkeit gefesselt von den tosenden Wogen des Pazifiks, die in dumpf kraftvollen Klängen am Eingang der weitläufigen Bucht zerstörerisch zischend zerschellen. Ich erhebe mich träge und schreite hinaus in die Schwärze der Nacht. Taumeligen Schrittes bewege ich mich auf einem Felsvorsprung. Mein Blick erfasst die schimmernde Schaumkrone einer sich überschlagenden Welle und schweift langsam entlang der mechanisch gezogenen Brechungslinie zielstrebig Richtung Strand. In perfekter Symmetrie durchfächert das hereinrollende Wellenensemble die samtige Glätte des Meeres und entlädt sich nach einem finalen Aufbäumen unwiderruflich auf dem feinkörnigen Sand. Anschließend Stille, das Wasser sammelt sich, atmet für einen kurzen Moment durch. Schon kräuselt sich der Horizont aufs Neue, die nächsten Reiter präsentieren stolz ihre Federn, eilen herbei ganz ohne Furcht. Die in antarktischen Breiten entsprungene Südwestdünung zeigt sich wohlwollend beständig. Seit nunmehr einer Woche werden wir Zeugen der pausenlos pulsierenden Brandung. Unsere Tage verbringen wir im wohlig warmen Wasser, mal schwimmend, mal treibend, mal gleitend. Wir tanzen und verweilen in bester Gesellschaft, teilen Wellen mit Pelikanen und Schildkröten und üben uns gemeinsam im ozeanischen Spiel. Bescheiden, erschöpft, und glücklich betrachten wir am Abend das Funkeln der Sterne. Zum wahren Leben in der Natur bedarf es an nicht viel. Wir existieren im Rhythmus der Gezeiten, sind zufrieden, genau das war unser lang ersehntes Ziel. Noch vor wenigen Wochen waren wir gefangen im Trott des Alltags, das hiesige Dasein bloß ein romantisch tollkühner Traum. Gerade erst hat unsere Reise begonnen, so langsam beginnen wir es zu realisieren, fassen unseren Reichtum kaum.










Vor etwa 3 Wochen verlassen wir Veracruz, die historisch bedeutende Küstenstadt am Golf von Mexico, welche den größten Hafen des Landes beherbergt und somit als Tor zur Welt gilt. Unsere Reise startet genau an jenem Ort, von dem aus Hernán Cortés, der spanische Konquistador, vor fast 500 Jahren seinen Eroberungsfeldzug des amerikanischen Kontinents begann. Reiner Zufall. Zwar wollen auch wir in neue Gefilde vorstoßen und dabei ungeahnte Schätze entdecken, uns liegt jedoch weniger die Bekämpfung, Unterwerfung und Ausbeutung der einheimischen Bevölkerung im Sinne. Der den logistischen Umständen geschuldete Ausgangspunkt unseres Unterfangens und die Tatsache, dass wir aus Europa stammen, bleiben somit hoffentlich die einzigen historischen Parallelen. Zugegeben, an Ausbeutung haben wir in gewisser Hinsicht schon gedacht, unsere Absichten sind jedoch vollkommen friedlich. Genau genommen sind wir auf der Suche nach Mexicos sagenumwobenen Wellen, erheben jedoch keinerlei Anspruch auf Exklusivrechte und sind jederzeit gerne bereit diese mit gleichgesinnten aus aller Welt zu teilen. Hier in Veracruz warteten wir also zunächst auf unser Expeditionsfahrzeug, welches die kommenden 12 Monate als mobiles Zuhause dienen soll und uns sicherlich an unzählige atemberaubende Orte führen wird. Die Schifffahrtsgesellschaft Anker lieferte mit leichter Verspätung und so kamen wir in den Genuss, diese sehr authentische und aus touristischer Sicht eher wenig berücksichtigte Küstenmetropole etwas näher kennenzulernen. Die fast unerträgliche feucht-schwüle Mittagshitze der Stadt zwang uns nach dem allmorgendlichen Frühstücksrun zu ausgedehnten Siestas und unsere Streifzüge beschränkten sich somit fast ausschließlich auf die späten Nachmittags- und Abendstunden, wenn das goldene Licht der tiefstehenden Sonne die Stadt zum Leben erweckt. Wir durchstreiften zumeist die Straßen der Altstadt und des Hafenviertels, erkundeten die reichhaltige mexikanische Küche, beobachteten das städtische Treiben und genossen dabei das exotisch-karibische Flair. Schnell flossen 2 Wochen dahin und Woody, unser Camper, wurde zwischenzeitlich unbeschadet entladen, verzollt und mit allen Notwendigkeiten für die anstehende Reise versehen. So verbrachten wir also einen finalen Abend auf dem Zócalo und lauschten ein letztes Mal den Mariachis und ihren mannigfaltig munteren Melodien. „Para bailar La Bamba“, wer hätte es gedacht. Der hier geborene Welthit gab uns ungeahnt den ersten heißen Tipp und führte uns surftechnisch gewissermaßen auf eine goldene Fährte. Wellenhungrig machten wir uns also schleunigst auf den Weg Richtung Pazifik. Beflügelt von einem allgegenwärtigen süßlich-fruchtigen Duft verließen wir die Region Veracruz und bahnten uns, vorbei an weitläufigen Zuckerrohr- und Ananasplantagen, unseren Weg gen Westen. Oaxaca, der fünftgrößte Bundesstaat Mexicos war unser erklärtes Ziel. Zwar gilt die Region als eine der ärmsten des Landes, an erstklassigem Surf und unberührter Natur mangelt es jedoch bei weitem nicht. Neben einigen bereits weltbekannten Surfspots wie Puerto Escondido oder Barra de la Cruz, bietet die Küste, bedingt durch die zahlreichen Landvorsprünge, von denen viele noch weitestgehend unerschlossen und nur schwer zugänglich sind, noch einiges an Potenzial und eignet sich somit perfekt für die Erkundung in eigener Regie. Lediglich der Süden ist berüchtigt für seine etwas protektionistisch geartete Surfmafia, je weiter man sich jedoch von Salina Cruz entfernt desto weniger wird dieser Sachverhalt zum Problem. Entlang der MEX 200 finden wir nach der 2 tägigen Anreise schnell das erste Paradies nahe Santa Cruz de Bamba. Getreu dem Motto: „Se necessita una poca de gracia“, beziehen wir Quartier unmittelbar am Strand. „Ay, arriba, arriba“, kaum angekommen, schon fordert uns der Pazifik zum Tanz. Eine Woche schwingen wir die Hüfte bei Bamba, bevor die Straße erneut ruft und es uns weiter Richtung Norden verschlägt. Wir biegen ab auf die MEX 200, rollen einige Kilometer und plötzlich erspäht mein Auge einen holprigen, kaum auszumachenden Pfad. Ich drossele die Geschwindigkeit des Wagens und setze den Blinker. Üppiges Buschland, palmengesäumten Feldern, gespannt reiten wir die buckelige Piste, die nächste Rast naht.












Sehr schöne Bilder und toller Text. Weiterhin viel Spaß 🙋♀️